Lyrics of Der Bär, Der Ein Bär Bleiben Wollte - Reinhard Mey

Der Bär, Der Ein Bär Bleiben Wollte - Reinhard Mey
Song information On this page you can find the lyrics of the song Der Bär, Der Ein Bär Bleiben Wollte, artist - Reinhard Mey. Album song Peter und der Wolf, in the genre Мировая классика
Date of issue: 31.12.1999
Record label: EMI Electrola
Song language: Deutsch

Der Bär, Der Ein Bär Bleiben Wollte

(original)
Er lebte in den Wäldern und lebte frei und allein
Sein Reich ging von den Hügeln bis tief ins Land hinein
Vom Bach bis an die Ufer seines Flusses und von da
Hinab bis in die Täler, soweit sein Auge sah
Er kannte jede Höhle und fast jeden Blaubeerstrauch
Die Lieblingsplätze der Forellen selbstverständlich auch
Und abends liebte er es sehr, im hohen Gras zu stehn
An einen Fels gelehnt zu denken, und ins Land hinauszusehen
So stand der Bär auch an jenem Nachmittag aus dem Fels
Recht deutlich spürte er den Herbstwind schon in seinem Pelz
Am Himmel sah er Wildgänse in Scharen südwärts ziehn
Er gähnte oft, und er war müd', und es fröstelte ihn
Er trottete zu seiner Lieblingshöhle durch das Laub
Verscharrte noch den Eingang hinter sich und sprach: «Ich glaub'
Es riecht nach Schnee», während er letzte Vorkehrungen traf
Legte sich auf sein Lager und begann den Winterschlaf
Er sollte recht behalten, es begann noch nachts zu schnei’n
Der Winter zog in seinen Wald, der Boden fror zu Stein
Ein eis’ger Wind sang in den klaren Nächten im Geäst
Dem Bär'n in seinem Unterschlupf war warm, und er schlief fest
Doch mit dem Winter kamen auch die Menschen in den Wald
Sie fällten Baum um Baum, vermaßen, zäunten ein und bald
Brachten Sie Kräne, Rohre, Bagger, Stahlbeton.
Schon stand
Genau über der Höhle eine Fabrik im Land
Der Frühling kam, und gut gelaunt erwachte auch der Bär
Tief unten in der Höhle, nur das Aufstehn fiel noch schwer
Und als er dann schlaftrunken durch den engen Ausgang stieg
Stand er ungläubig mitten auf dem Vorhof der Fabrik
Da kam auch schon ein Pförtner brüllend auf ihn zumarschiert
«Los du da, an die Arbeit, statt hier 'rumzustehn.
Kapiert?»
«Verzeihung», sprach der Bär verstört, «aber ich bin ein Bär!»
«Jetzt reicht’s mir», schrie der Mann, «zum Personalchef, kein Wort mehr!»
Der Personalchef war ein muffiger, verhärmter Mann
«Ich bin ein Bär», sagte der Bär, «das sieht man mir doch an!»
«Was ich sehe, ist meine Sache», sprach der Mann, «und du
Bist ein dreckiger Faulpelz und noch unrasiert dazu!»
Dann schubste er ihn zum Vizedirektor, der aktiv
Und sehr ergeben unterwürfig den Direktor rief
Der sprach und ließ dabei seinen Managersessel drehn
«Unser Herr Präsident wünscht das faule Subjekt zu seh’n!»
«Soso», sagte der Präsident, «Sie sind also ein Bär.»
Er hatte das größte Büro und langweilte sich sehr
Er war so mächtig, dass er keinen Schreibtisch mehr besaß
Keine Krawatte tragen musste und nur Comics las
«Wenn Sie ein Bär sind, bitte, dann beweisen Sie das auch!»
Der Bär kratzte sich vor Verlegenheit über den Bauch
«Nein, Bären gibt es nur in Zoo und Zirkus kurz und klein
Genau dort hol’n wir jetzt ein Gutachten über Sie ein!»
Die Präsidentenlimousine fuhr den Bär'n zum Zoo
Und seine Artgenossen musterten ihn schadenfroh
Und einstimmig erklärten sie, wer Auto fährt, und wer
Nicht hinter Gittern lebt, sei alles andere als ein Bär!
Die Tanzbären im Zirkus urteilten genauso prompt
Weil wer nicht tanzt und radfährt, nicht als Bär in Frage kommt!
Die Heimfahrt über dachte er: «Und ich bin doch ein Bär!
Ich weiß es doch, ich weiß es», doch er wehrte sich nicht mehr
Er ließ sich Arbeitszeug anzieh’n, und als man ihm befahl
Sich zu rasier’n, rasierte er sich seine Schnauze kahl
Stempelte seine Stechkarte wie jeder and’re Mann
Und lernte, dass der Tag mit einem Hupsignal begann
Er ließ sich an eine Maschine setzten, wo ein Griff
Von rechts nach links zu dreh’n war, wenn eine Sirene pfiff
Und wenn man das versäumte, leuchtete ein rotes Licht
Das zeigte, ob der Mann daran grad' arbeitete oder ob nicht
So stand er Tag für Tag an der Maschine, dreht stumm
Den Griff von rechts nach links und danach wieder rechts herum
Nur in der Mittagspause musst' er zum Fabrikzaun geh’n
Um durch Maschinen und Stacheldraht ins Land hinauszuseh’n
Die Osterglocken blühten und verblühten vor dem Zaun
Ein Sommer kam und ging, der Herbst färbte die Wälder braun
Am Himmel sah er Wildgänse in Scharen südwärts zieh’n
Er gähnte oft, und er ward müd', und es fröstelte ihn
Er gähnte immer mehr, je mehr er sich zusammennahm
Er wurde immer müder, je näher der Winter kam
Vom Wachen taten ihm oft mittags schon die Augen weh
Er stand am Zaun und sagte vor sich hin: «Es riecht nach Schnee!»
An dem Nachmittag schlief er glatt an der Maschine ein
Hörte nicht die Sirene, nur den Personalchef schrei’n
«He, du da, raus, du bist entlassen, hier ist dein Restlohn!»
«Entlassen?», jubelte der Bär und machte sich davon
Sein Bündel auf der Schulter, wanderte er ohne Ziel
Einfach gradaus im Schnee, der schon in dicken Flocken fiel
So ging er einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag
Auf der Standspur der Autobahn, wo nicht so viel Schnee lag
Mal zählte er die Autos, die er sah, doch ihm fiel ein
Dass er nur bis fünf zählen konnte, und so ließ er’s sein
Und dann am zweiten Abend sah er in der Ferne hell
Im dichten Schneegestöber Neonbuchstaben: «Motel»
Durchfroren, nass und müde trat der Bär an den Empfang
Der Mann hinter dem Tresen rührte sich nicht und schwieg lang
Tat unheimlich beschäftigt, um beiläufig zu erklär'n:
«Wir haben keine Zimmer frei für Landstreicher und Bär'n»
«Habe ich das Wort, Bär' gehört, sagten Sie, Bär' vorhin?
Das heißt, Sie sind der Meinung, dass ich wirklich einer bin?»
Der Mann griff kreidebleich zum Telefon, der Bär ging schnell
Zur Tür, und er verschwand im Wald, gleich hinter dem Motel
Er stapfte durch den Wald, der ihm jetzt fremd und feindlich schien
Er ging, und nach und nach verließen seine Kräfte ihn
«Ich muss jetzt darüber nachdenken», dachte sich der Bär
«Was mit mir werden soll, wenn ich nur nicht so müde wär'!»
Er setzte sich vor eine Höhle und starrte noch lang
Ins Leere, hörte, wie der Schneesturm in den Bäumen sang
Er spürte ihn nicht mehr und ließ sich ganz und gar zuschnei’n
Und vor dem dritten Morgen seiner Reise schlief er ein
(translation)
He lived in the woods and lived free and alone
His empire extended from the hills to deep within the land
From the brook to the banks of its river and from there
Down to the valleys as far as his eye could see
He knew every cave and almost every blueberry bush
The favorite spots of the trout as well, of course
And in the evenings he loved to stand in the tall grass
Thinking leaning against a rock and looking out at the land
That's how the bear stood out of the rock that afternoon
He felt the autumn wind quite clearly in his fur
In the sky he saw flocks of wild geese migrating south
He often yawned and was tired and shivered
He trotted through the foliage to his favorite den
Buried the entrance behind him and said: "I think
It smells like snow' while he made final arrangements
Lay down on his bed and began hibernation
He was right, it started snowing that night
Winter moved into its forest, the ground froze to stone
An icy wind sang in the clear nights in the branches
The bear was warm in his shelter and slept soundly
But with winter, people also came to the forest
They felled tree after tree, surveyed, fenced in and soon
Brought cranes, pipes, excavators, reinforced concrete.
Already standing
Just above the cave a factory in the land
Spring came and the bear woke up in a good mood
Deep down in the cave, only getting up was still difficult
And when he climbed through the narrow exit, drunk with sleep
He stood in disbelief in the middle of the factory forecourt
Then a porter came marching towards him, yelling
«Go there, get to work instead of standing around here.
Got it?"
"Excuse me," said the bear, disturbed, "but I'm a bear!"
"That's enough for me," the man yelled, "to the HR manager, not a word more!"
The HR manager was a stuffy, haggard man
"I'm a bear," said the bear, "you can see that!"
"What I see is my business," said the man, "and you
You're a dirty lazybones and unshaven at that!"
Then he pushed him to the vice director, who was active
And very submissively called the director
He spoke and let his manager's chair turn
"Our Mr. President wants to see the lazy subject!"
"So," said the President, "so you're a bear."
He had the biggest office and was very bored
He was so powerful that he no longer owned a desk
Didn't have to wear a tie and just read comics
"If you're a bear, please prove it!"
The bear scratched his stomach in embarrassment
«No, bears only exist in zoos and circuses
That's exactly where we're going to get an expert opinion on you!"
The presidential limousine drove the bears to the zoo
And his fellows eyed him maliciously
And unanimously they declared who drives the car, and who
Don't live behind bars, be anything but a bear!
The dancing bears in the circus judged just as promptly
Because if you don't dance and ride a bike, you can't be a bear!
On the drive home he thought: "And I'm a bear!
I know it, I know it », but he no longer resisted
He had work clothes put on and when he was ordered
To shave himself, he shaved his muzzle bald
Stamped his time card like every other man
And learned that the day started with a horn blast
He sat down at a machine where a handle
Turning from right to left was when a siren whistled
And if you didn't, a red light came on
That showed whether the man was working on it or not
So he stood at the machine day after day, turning silently
Move the grip from right to left and then back to the right
He only had to go to the factory fence during the lunch break
To look out into the country through machines and barbed wire
The daffodils bloomed and withered in front of the fence
Summer came and went, autumn turned the woods brown
In the sky he saw flocks of wild geese migrating south
He often yawned and became tired and shivered
He yawned more and more the more he pulled himself together
He became more and more tired as winter approached
His eyes often hurt from waking up at noon
He stood by the fence and said to himself: "It smells like snow!"
That afternoon he fell asleep at the machine
Didn't hear the siren, just screamed at the HR manager
"Hey, you there, get out, you're fired, here's your remaining wages!"
"Dismissed?" the bear cheered and took off
With his bundle on his shoulder, he wandered aimlessly
Just straight ahead in the snow, which was already falling in thick flakes
So he went one day, one night and one more day
On the hard shoulder of the Autobahn, where there wasn't that much snow
Sometimes he counted the cars he saw, but he remembered
That he could only count to five, and so he let it be
And then on the second evening he saw light in the distance
In the dense flurry of snow neon letters: «Motel»
Frozen, wet and tired, the bear came to the reception
The man behind the counter didn't move and was silent for a long time
Acted incredibly busy to casually explain:
"We don't have any rooms for tramps and bears"
'Did I hear the word 'bear' you said 'bear' earlier?
So you think I really am one?"
The man, white as a sheet, picked up the phone, the bear walked quickly
To the door and he disappeared into the woods just behind the motel
He trudged through the forest, which now seemed strange and hostile to him
He left, and little by little his strength left him
"I have to think about it now," thought the bear
"What will become of me, if only I wasn't so tired!"
He sat in front of a cave and stared for a long time
Into the void, heard the blizzard sing in the trees
He no longer felt it and let himself be cut completely
And before the third morning of his journey he fell asleep
Translation rating: 5/5 | Votes: 1

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Artist lyrics: Reinhard Mey